Grundrechte stärken – Ein_e unabhängige_r Polizeibeauftragte_r für Hamburg!
Im Haushaltsplan-Entwurf 2017/18 haben wir innenpolitisch einen neuen Akzent gesetzt. Wir wollen die Grundrechte der Bürger_innen gegenüber polizeilichen Maßnahmen stärken. Transparenz, Überprüfbarkeit und Kontrolle polizeilichen Handelns sind unverzichtbare rechtsstaatliche Prinzipien angesichts der besonderen Stellung der Polizei als Trägerin des staatlichen Gewaltmonopols.
Die Erfahrungen in Rheinland-Pfalz mit einer_em unabhängigen Polizeibeauftragten für Eingaben von Bürger_innen, aber auch von Polizeibediensteten, sind positiv. Konflikte konnten gelöst, Vertrauen wiederhergestellt werden.
Wir fordern daher in unserem Antrag eine solche unabhängige Stelle auch für Hamburg. Selbstverständlich geht dies nicht ohne angemessene personelle und sachliche Ausstattung, für die wir eine Millionen Euro pro Jahr veranschlagen. Die Unabhängigkeit soll dadurch gewährleistet werden, dass die/der Polizeibeauftragte von der Bürgerschaft eingesetzt und – ähnlich wie der Hamburgische Datenschutzbeauftragte – als oberste Landesbehörde eingerichtet wird. Zur Vernetzung mit der Zivilgesellschaft wird ein ehrenamtlicher Beirat vorgeschlagen.
Verdeckte Ermittler_innen
Laut der Antwort des dänischen Justizministers auf eine Anfrage der Fraktion der „Enhedslisten“ war nicht nur die verdeckte Ermittlerin Maria B., sondern auch die verdeckte Ermittlerin Astrid O. während des 15. Klimagipfels 2009 in Kopenhagen aktiv. Danach teilte der polizeiliche Geheimdienst PET mit, dass (wie auch Maria B.) Astrid O. in Gewahrsam genommen wurde, und zwar wegen „Störung des öffentlichen Friedens“. Dem PET zufolge hielt sie sich „unter ähnlichen Umständen“ wie Maria B. in Kopenhagen auf. Sie hatte die Aufgabe, den PET mit Informationen über bevorstehende extremistische Aktivitäten zu versorgen. Die Polizei selbst wusste demzufolge nicht, dass Astrid O. dem PET zuarbeitete. Der Senat will auf unsere Anfrage hin keine Stellung dazu nehmen.
Allerdings hat die Hamburger Polizei offiziell bestätigt, dass der Einsatz der verdeckt ermittelnden Beamtin Maria B. (Deckname Maria Block) ebenso wie der Einsatz der verdeckten Ermittlerin Iris P. (Deckname „Iris Schneider“) rechtswidrig war.
Die späten Eingeständnisse erfolgen reihenweise: Bereits vor vier Monaten hatte die Polizei im Fall der Ausschnüffelung des Radiosenders FSK die Rechtswidrigkeit des Einsatzes einer verdeckten Beamtin in Hamburg offiziell zugeben müssen. Dass die Polizei die Strategie verfolgt, per Anerkennungsurteil zu verhindern, dass ihr anwaltlich in die Karten geschaut wird, das bezweifelt mittlerweile niemand mehr.
Rechtswidrig handelt die Polizei wohl bis heute: Denn obwohl der verdeckte Einsatz von Iris P. und auch ihre Identität seit 2014 öffentlich bekannt sind, hat die Polizei die betroffene Klägerin nie über die sie betreffende Maßnahme informiert, obwohl sie dazu gesetzlich verpflichtet war. „Ich fordere, dass alle rechtswidrig erhobenen und noch existierenden Informationen unverzüglich gelöscht werden“, sagt Christiane Schneider, innenpolitische Sprecherin der Fraktion. „Die bisher von der Behörde gezogenen Konsequenzen reichen nicht, auch nicht der richterliche Vorbehalt: Die verdeckten Ermittlungen der Polizei in linken Strukturen müssen beendet werden.“
Vom Gefahrengebiet zum gefährlichen Ort
Neues gibt es zu den Gefahrengebieten. Die erste und wichtigste Änderung: Sie heißen jetzt gefährliche Orte. Dabei zeigt sich, dass ein Ort für die Behörden nicht begrenzt ist, sondern sogar ein ganzes Stadtgebiet als „gefährlicher Ort“ charakterisiert werden kann.
Die Hürden für die Ausrufung gefährlicher Orte werden ein ganz klein bisschen höher gezogen als bei den klassischen Gefahrengebieten: War bisher die Lagebeurteilung der Polizei ausschlaggebend, sollen es nun „Tatsachen“ sein, „die die Annahme rechtfertigen“, dass es an den Orten gefährlich zugeht. Ob solche Tatsachen vorliegen, entscheidet der Polizeipräsident.
Nach wie vor wird die Polizei am „gefährlichen Ort“ verdachtsunabhängige Kontrollen durchführen können. Allerdings darf sie nicht mehr verdachtsunabhängig in einen Rucksack oder eine Tasche schauen. Allerdings darf sie zukünftig nicht nur in Rucksäcke reinschauen, sondern auch reingreifen, „wenn auf die Person bezogene Anhaltspunkte dies erforderlich machen“.
Der Senat hat dabei Vorgaben aus dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts umgesetzt, aber an der Praxis wird sich prinzipiell nicht viel ändern. Nach wie vor bleibt die Polizei durch das Gesetz ermächtigt, kleinere oder größere oder ganz große gefährliche Orte auszurufen, in denen sie verdachtsunabhängig in Grundrechte eingreift. Kontrolliert wird sie von niemandem, es sei denn Betroffene schlagen den langwierigen Weg zum Gericht ein.
Also bleiben auch wir dabei und passen nur das Vokabular an: Wir fordern die Abschaffung „gefährlicher Orte“.
Anfragen: Task Force gegen vermeintliche Drogendealer
Im April dieses Jahres setzte die Polizei eine „Task-Force gegen Drogendealer“ ein, die Schwerpunktmäßig in St. Georg, im Schanzenpark und auf St. Pauli operieren soll. Die Vorwürfe, dass bei deren Einsätzen so genanntes Racial Profiling betrieben werde, häuften sich.
Unsere Anfragen ergaben, dass zudem auch der Erfolg der Task Force höchst zweifelhaft ist. Die Bilanz aus vier Monaten: 11.524 kontrollierte Personen und 42.472 polizeiliche Arbeitsstunden stehen 71 Haftbefehle und 30 (z.T. noch nicht rechtskräftige) Verurteilungen gegenüber.
Anfrage: Polizeieinsatz im Plan B
Am Abend des 18. Juli drang ein großes Polizeiaufgebot, darunter mit Maschinenpistolen bewaffneten Sonderheiten, in das linke Wohnprojekt „Plan B“ auf St. Pauli ein. Als Grundlage diente ein Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts vom 10. Mai 2016 (!), in dem es im Wesentlichen um die „Beihilfe“ zur Veräußerung einer „Kleinmenge von Marihuana“ durch einen unbekannten „Haupttäter“ ging. 34 Menschen wurden im Zuge der von rund 250 Bereitschaftspolizist_innen abgesicherten Hausdurchsuchung festgenommen. Wir haben diesen Polizeieinsatz als „völlig inakzeptabel“ kritisiert und nachgefragt. Die Betroffenen des Einsatzes wollen den Klageweg beschreiten.
Anfrage: Kommt ein modernes Versammlungsgesetz?
Seit 2006 haben die Länder die Möglichkeit, das alte Versammlungsgesetz des Bundes zu erneuern und das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit zu stärken. Deshalb wollten wir in einer Anfrage wissen, ob Hamburg von dieser Möglichkeit Gebrauch macht. Eigentlich gab es dazu vor einigen Jahren bereits Bestrebungen, doch die lapidare Antwort auf unsere Anfrage lautete, dass in dieser Legislaturperiode keine Regelung zum Versammlungsrecht vorgesehen ist. Der Senat ist nicht gewillt, demokratische Spielräume zu nutzen. Ein Beispiel ist die Bannmeilen-Regelung. Wir finden, dass sie abgeschafft werden muss. Meinungsfreiheit wird von dem Ort ferngehalten, an den sie sich in erster Linie richtet. Die Bannmeile um das Rathaus war 1920 eine Reaktion auf eine blutige Auseinandersetzung um das Betriebsrätegesetz vor dem Berliner Reichstag und ist nicht mehr zeitgemäß. In Niedersachsen etwa wird die Abschaffung zumindest intensiv diskutiert, während in Hamburg keine Bereitschaft zur Erneuerung besteht.
Wichtig ist es auch, die Grundrechte von Demonstrant_innen zu stärken, wenn es um Ton- und Bildaufzeichnungen von Versammlungen geht. Bislang gibt es in Hamburg dazu lediglich polizeirechtliche Regelungen. Wir werden weiter dafür arbeiten, dass das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit durch ein modernes Versammlungsrecht aufgewertet wird.